Punk in Pankow

Wenn eine Punkband heute nach Revolution schreit, ist das nichts besonderes mehr. Im Gegenteil: es gehört zum guten Ton für viele Hobbyrevoluzzer.

Das war nicht immer und überall so. Die Skeptiker haben die Situation gegen Ende der DDR miterlebt. In der DDR wurden Punks massiv vom Staat verfolgt und Bands hatten es teilweise sehr schwer, auf die Bühne zu kommen. Ich habe Eugen Balanskat, seines Zeichens Sänger der Skeptiker, gefragt, wie er und die Band das Geschehen in der DDR-Musikszene erlebt haben. Das Interview ist am 28.5. in Köln kurz vor einem Konzert der Skeptiker mit Der Sommer und Dritte Wahl entstanden.

Onlinezine: Was ist denn aus Sicht eines Punkmusikers gegen Ende der DDR abgegangen? Ihr habt ja eher am Ende angefangen.

Eugen: Ja, 1986 war schon ziemlich am Ende, wobei man dazu sagen muß,  die Ereignisse, die gekommen sind, hat ja keiner hervorgesehen. Keiner wußte ja, daß es zu Ende geht und natürlich haben alle ein Gefühl von Stagnation mitbekommen, so zu sagen. Die Jugend fühlte sich richtig gelähmt, das war alles so extrem stagnierend, das gab überhaupt kein positives weiterschreiben mehr und alle hatten nur das Gefühl, so kann das nicht weitergehen. Deswegen sind die Leute dann ja auch auf die Straßen gegangen.

Onlinezine: Mich würde es einfach interessieren, wie es Euch mit Euren Texten ergangen ist. Ihr habt Eure erste Platte noch beim VEB Deutsche Schallplatten rausgebracht. Die Texte enthalten ja keine versteckte, sondern eher offene Kritik.

Eugen: Du, da ha ick mir ooch imma tierisch drüba jefreut (an dieser Stelle konnte ich es mir nicht verkneifen, Eugens breiten Berliner Dialekt einfach mal abzutippen, statt zu übersetzen, wa! Also jetzt wieder Ernst:) Du, da habe ich mich auch immer tierisch drüber gefreut, also so richtig begriffen habe ich das bis heute nicht, daß das so gut durchgelaufen ist. Dabei muß man aber sagen: die „Harte Zeiten“ haben wir ja auch erst drei Tage nach Maueröffnung eingespielt, das ist ja schon kein Ost-Ding mehr in dem Sinne. Also, ich meine, die Titel sind zwar aus der Ostzeit und wir haben das ja auch live gespielt und angeboten, aber die Platte selbst kam ja erst, als die mauer schon unten war. Da wäre es ja schon nicht mehr zu verhindern gewesen. Aber trotzdem war das schon ein erstaunliches Phänomen, daß wir das einfach so anbieten konnten. Da muß man aber dazu sagen, wir sind gegen Ende der DDR erst aufgetaucht und die heiße Phase der Bandverbote, die war ein paar Jahre vorher schon vorbei. Du mußtest im Osten, wenn Du öffentlich auftreten wolltest, eine staatliche Spielerlaubnis sozusagen erteilen lassen über eine Einstufung und da haben sie schon viel rausgefiltert. Beziehungsweise, wenn du dir Fehlverhalten zuschulden kommen lassen hast –schönes Wort, wa-, dann haben sie dir sozusagen auch gleich Berufsverbot erteilt, bzw. wenn Du Amateurmusiker warst, dann war es halt ein Spielverbot. Das ist natürlich eine krasse Nummer, wenn man sich das vorstellt.

Onlinezine: Wie ist das, habt ihr auch eine Einstufung mitgemacht?

Eugen: Wir haben mehrere gemacht.

Onlinezine: Wie seid ihr da eingestuft worden, da ging es ja wohl eher um die künstlerische Qualität.

Eugen: Neee, Politik spielt da auch ´ne Rolle. das war alles nicht mehr künstlerisch, das war nur der scheinwahrende Oberbegriff dafür. Aber, was unliebsam war, haben sie gleich herausgefiltert. da brautest du kein Berufsverbot bekommen, Du hast erst gar keine Zulassung bekommen. Bei den Skeptikern war das so gewesen: am Anfang haben wir über ´ne Pappe von ´ner fremden Band gespielt, das heißt also, wir haben beim Kulturamt eingereicht, daß wir irgendwer sind, weil ein paar Musiker der Skeptiker, die haben vorher in einer anderen Band gespielt. Und weil wir Schiß hatten, das sie uns gleich verbieten, haben wir uns über Skeptiker ankündigen lassen aber die Verträge über ´nen anderen Bandnamen und eine existierende Zulassung gemacht. Das war alles im Berliner Umland. Und irgendwann wollten wir auch in Berlin richtig einschlagen und dann haben wir uns der Sache unterzogen. Das war dann so: da waren vier Leute da von der Einstufungskommission, zwei waren Parteibonzen und zwei waren selber live aktiv. Einer als Techniker und einer selbst als Musiker. Und als wir da gespielt haben, gab es richtig Konfrontation. Die Parteileute haben nur gesagt: sofort verbieten, also eben gar keine Zulassung erteilen und die anderen beiden, die haben für uns ein super Prädikat rausgebissen, Sonderstufe hieß das. Das war schon das Beste, was du kriegen konntest, als Amateurmusiker, wie das immer so schön hieß. Und mit dieser Stufe war auch festgelegt, wieviel Geld du kriegen durftest und so, das war ja alles extrem reglementiert. Das stand eigentlich auf Messers Schneide, ist aber von Anfang an für uns gut ausgegangen und das hat mich natürlich tierisch gefreut.

Onlinezine: Ihr habt ja zu Ostzeiten zwei Demos produziert, wie sind die denn weggegangen, unter der Hand?

Eugen: Offiziell war das verboten, aber alle Bands aus dem Independentbereich haben Tapes gemacht und auch bei den Konzerten dann vertrieben. Natürlich wußte der Staat davon, bei den Konzerten ist immer Stasi rumgelaufen. Da hat sich natürlich keiner zu erkennen gegeben, aber die waren immer da. Man hat das aber geduldet, so nach dem Motto: laß´ die jungschen Chaoten sich mal austoben, dann machen sie wenigstens keinen Streß. Solange wie sie nur Musik hören... Also da ist ´ne ganze Menge möglich gewesen. Wenn irgend jemand Scheisse gebaut hätte, hätten sie dich damit auch sofort kassieren können. Zum Beispiel warst Du als Amateurmusiker verpflichtet, ´ne Arbeitsstelle nachzuweisen, ansonsten konnten sie dich wegen asozialen Verhaltens auch schon wegstecken. Du mußtest auch mit ´ner Spielerlaubnis schon ganz schön aufpassen, das sie dich nicht wegfangen. Man hat die Leute machen lassen und sobald jemand aufgefallen ist: Spielverbot, Knast und weiß ich nicht, was alles.

Onlinezine: Habt ihr denn irgendwelche Repressalien durch eure Texte erleiden müssen?

Eugen: Absolut gar nicht. Wir haben da live Open Airs gehabt, da haben wir tausend Leute im Publikum gehabt, da kamen sogar die Etablierten nicht daran vorbei, das Phänomen zu erkennen. Und auch Amiga hat davon Kenntnis erhalten, das einzige existierende Plattenlabel. Und wir haben den Größenwahn gefahren und haben gesagt: gehen wir einfach mal hin und fragen, ob wir eine Platte machen können, was völlig undenkbar war, eigentlich. Normalerweise haben wir erwartet, das die uns einfach rausschmeißen, so nach dem Motto: was wollt ihr denn hier! Aber die haben gesagt, na ja: biet mal an , bring mal mit, texte und Musik und so. Dann mußten wir das einreichen und dann haben sie mich zu ´nem Gespräch bestellt und wollten mich psychologisch knacken, so nach dem Motto: viel zu düster, wo ist denn die positive Message des sozialistischen Menschen. Und als ich dann darauf nicht angebissen habe, wollten sie mir einreden, daß das alles Scheiße ist und qualitativ minderwertig und daß man das nicht produzieren könnte. Da habe ich gesagt: weiß ich Bescheid, schönen Dank und tschüs! Ein halbes Jahr später haben die uns angeschrieben als Band und haben gesagt: Mensch Leute, laßt uns doch ´ne Platte machen! Wir haben dann aber gesagt, bei uns hat sich nichts geändert, nicht die Texte und die Musik nicht. Die haben gesagt: Okay, laß machen. Dann haben wir es natürlich auch gemacht und das war total verrückt eigentlich. da waren wir aber auch nicht die ersten, muß man mal sagen. Da haben andere Bands aus der selben Szene auch schon Produktionen gemacht.

Onlinezine: Feeling B war da ja dabei.

Eugen: Feeling B, dann gab´s mal so ´n Sampler, wo diverse dabei waren: AG Geiger, Hardpop, Sandow, WK 13 und richtig viele. Wir waren durchaus nicht die ersten, aber mit bei den ersten dabei. Der Witz dabei war: da das nur das eine Label gab, haben die richtig Massenauflagen rausgehaun und bei beliebten Bands waren die Auflagen auch direkt weg. Nicht wie heute, sondern da war ein Riesen- Interesse da und die Fans haben sich förmlich mitgefreut, daß einer ihrer Bands ´ne Platte machen konnte. 

joe