11. Potsdamer Skafest

...das Ereignis im Ska für Deutschland. Was macht es so interessant, daß die Leute aus diverser Herren Länder anreisen? Warum opfern diverse Deutsche Geld und Zeit, um sich zugegebenermaßen für manche schon etwas weiter in den Osten aufzumachen? Wie hoch mag der volkswirtschaftliche Ausfall durch völlig geplättete Arbeitnehmer sein, die am Montag darauf nahezu nicht ansprechbar auf der Arbeit vor sich hin vegetieren? Hier wollen wir allerdings auch die Frage stellen, warum Potsdam dieses Jahr wesentlich weniger Besucher hatte, als zu seinem 10-jährigen Bestehen im letzten Jahr.

Außerdem wollen wir Euch hier erstmals den kleinen Service einer Fotogalerie bieten. Wenn das ankommt, wird das etwas professioneller fortgesetzt. Wir sind gespannt auf Eure Rückmeldung!

Widmen wir uns erstmal der Frage, was Potsdam zu diesem Riesenerfolg verholfen hat. Als erstes steht da natürlich das Über- Line Up der vergangenen Jahre. Acts, für die man sich einzeln prostituieren würde, treten hier in Sixpacks auf, eingerahmt von immer wieder interessanten Newcomern und einem entspannten Nighterprogramm. Dazu kommt eine idyllische Location, die zudem noch gut zu erreichen ist. Eine Open Air Bühne halb in der Stadt, halb im Wald im schnuckeligen Potsdam- Babelsberg . Zudem ein Zeltplatz direkt am Gelände, ganz umsonst. Was die Sache aber immer wieder fett macht, sind die Massen von Leuten, die in bester Stimmung einreiten und eine riesige Sommerparty steigen lassen. aus diesem Festival haben sich im laufe der Zeit einige feste Freundschaften quer durch die Welt entwickelt.

Und was war dieses Jahr? Es war sicherlich nicht gerade das beste Jahr. Gelitten hat es unter dem Fakt, das am ersten Tag -Anwohner sei dank- das ganze drinnen stattfinden mußte. Die Euroschwäche widersprach dann auch noch dem Import von allzugroßen Mengen an Jamaicanern, bzw. Briten. Erschwerend kam dazu, daß einer der Geheimtipps ausfiel: die Berliner Kapelle Yebo. So hatte das Festival dieses Jahr ein Line up, was zwar eigentlich keinen Vergleich scheuen mußte, außer vielleicht zu seinen eigenen Erfolgen der letzten Jahre.

So, und nun von vorne: Freitag gab es leichte Startprobleme durch den späten Beginn, auf den sich der ein oder andere zu sehr eingetellt hatte. So richtig füllen tat sich der Saal erst bei Blascore, die mit Ihrem Stil das Publikum allerdings ziemlich spalteten: in diese, die blieben und diejenigen, die gingen. Schlagerska mit Punkattitüde ist nunmal nicht jedermanns Sache. Wenn einem der Witz der Sache abhanden geht, kann es dann auch schnell passieren, daß der Sänger der Combo "Porno Wenziano" zur schlechten Wizufigur verkommt. Also war es an Wanja's Choice, die Sache wieder gerade zu biegen. Das sollte Ihnen dann auch aufs beste gelingen. Dafür, daß ich in einem Interview gelesen habe, daß dieses Projekt der Butlers eigentlich nicht für derartige Veranstaltungen gedacht war, war der Erfolg durchschlagend. Das Programm kam bestens an und wurde mit einigen ziemlich groovigen Songs von der neuen Scheibe gewürzt. Applaus. Den Liveabschluß des Abends machten The Trojans. Gaz Mayall in gewohnt freakigem Outfit und eine Mischung aus Ska und Folk rundeten die Sache gut ab. Der Nighter, der sich bis zur unvermeidlichen Dämmerung anschloß, war feinst. Details hierzu gehen wie bei jeder richtigen Party in der geistigen Dämmerung unter...

Der nächste "Morgen" startete mit der unsanften Aufforderung, sich zu einer Bootsfahrt auf der Havel einzufinden. Gesagt, mühsam getan fand man sich zu einem entspanntem Stelldichein bei Bier und Bratwurst ein, um anschließend einen Ausflugsdampfer der Weissen Flotte zu kapern. Ich weiß nicht, was das Beste daran war: das Entsetzen in den Blicken der Rentner auf dem Boot, die Bläße der Bedienungen, die angestrengten Blicke der uns begleitenden Wasserschutzpolizei oder die uns zufeiernden Ausflügler am Havelufer. Es war auf jeden Fall eine Party mit Prollfaktor 11, auf die sich einige auf dem Dampfer mit uns einließen. Obwohl selber nicht gerade zur Prollfraktion gehörend, war ich drei Tage heiser: selten so einen Spaß gehabt!!!

Zum Festivalgelände zurück haben wir es gerade so geschafft. Leider sollte auch am Samstag die Party nicht ganz so schnell in Schwung kommen (und doch so heftig enden...). Die Ruffians aus Potsdam schafften es dann, das Publikum langsam, aber sicher in Bewegung zu setzen. Mit soliden traditionellen Klängen sind sie eine Band, von der wir hoffentlich in Bälde mehr Liveaction sehen. Tja, was folgte, war das orgasmische Finale des Festivals: The Hotknives enterten die Bühne und brauchten nicht einmal ein ganzes Lied, um die Meute aus den Löchern und von den Bierständen weg auf die Tanzfläche zu holen. Ein souveränes Set aus alten und neuen Stücken mit den bekannt eingängigen Melodien trieb das Publikum zum Explodieren. Daß man die Freude am Spielen den Jungs nach wie vor ansieht, war noch der letzte nötige Kick dazu. Das Sahnehäubchen auf diesen Abend wog ca. drei Zentner, hieß Buster Bloodvessel und bewies mit Bad Manners sein Showtalent. Wenn das kein Abgang war... Klassiker über Klassiker des uptempo Ska von hunderten von Leuten zelebriert bildeten einen genialen Ausklang des Liveteiles. Der folgende Nighter war von gewohnt lässiger Qualität und endete auch wieder erst, als es zur Morgendämmerung und zur geistigen Dämmerung der Feiernden ansetzte.

Und die Moral von der Geschichte? Auch wenn dieses Festival in seinem eigenen Schatten der vergangenen Jahre stand, war es einmal wieder das beste in 2000. Das Jahr ist noch lange nicht vorbei, aber ich denke nicht, daß ein anderes Festival, selbst mit besserer Besetzung, an die Partyqualität von Potsdam herankommt. Es bleibt zu hoffen, daß das Land Brandenburg und die Anwohner auch in Zukunft noch mitspielen. Auf beide ist der Lindenpark als lokaler Veranstalter angewiesen. So let's pray the lord: auf daß es die Nummer 12 gibt.

(Anm. d. Red.: ich hasse Konzertberichte, aber in diem Falle war er unausweichlich!)

joe